November - Dezember Andacht 2023
Müsste Gott nicht …?
Krisen, Krisen, Krisen … Die Krise in Israel, die Krise in der Ukraine, die Umweltkrise, die Flüchtlingskrise, die Wirtschaftskrise, die Kirchenkrise … wo man auch hinkommt, man kommt aus dem Krisenmodus gar nicht mehr raus. Beim Smalltalk sagt jemand beinahe beiläufig:
Wenn es einen Gott gäbe, müsste er dann nicht eingreifen? Kann Gott, wenn er denn wirklich existieren würde, die Kriege und all das Elend auf dieser Welt zulassen? Müsste er sich nicht irgendwann einmal melden? Müsste er nicht die Täter zur Rechenschaft ziehen?
Ich kann die Gedanken gut verstehen. Wie oft habe ich sie mir selbst gestellt? Doch irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: Muss Gott all dies wirklich müssen? Muss Gott, wenn er denn allmächtig ist, alles tun, was er kann? Muss er alles wissen, was er wissen könnte? Muss er tun, was ich von ihm erwarte, nur um in meinen Augen Gott sein zu können?
Es mag seltsam klingen, doch in all den Überlieferungen, in denen Menschen von einer Gottesbegegnung erzählen, lesen wir nichts über solche rein theoretischen Fragen. Da berichten Menschen vielmehr, wie sie gerade in der Not Gott erfahren haben, wie er sich ihnen in ihrer Hoffnungslosigkeit zuwendet, wie er Wege und Auswege eröffnet, wo es keinen Weg mehr zu geben scheint.
Von einer solchen Gottesbegegnung berichtet auch Hagar, als sie aus Verzweiflung in der Wüste umherirrte, weil sie gemobbt wurde. Sie erlebt, wie sich Gott ihr zuwendet, wie er weder sie selbst noch ihre Not übersieht. Am Ende fasst sie ihre Erfahrung mit den folgenden Worten zusammen: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Wie kann ein Mensch solch eine Aussage machen? Braucht man eine besondere spirituelle Veranlagung, um eine ähnliche Erfahrung zu machen? Folgen wir Hagars Bericht, dann ist die Antwort viel einfacher. Hagar erlebt, wie Gott sie sieht, weil sie sich in ihrer Not von Gott ansprechen lässt.