Impuls 12/2016:

Seit etwa einem halben Jahr lässt mich diese Frage nicht mehr los: Sind wir als Christen schon so „verkopft“, dass wir uns nur noch mühsam und routiniert durch unser Leben schleppen, ohne dass etwas von einer Leidenschaft und Begeisterung für Jesus nach außen ausstrahlt? Wir glauben an irgendwelche Dogmen und Glaubenssätze, haben sie sozusagen verinnerlicht, aber eine überschäumende Freude spürt man bei uns nicht ab. Vor kurzem war ich eingeladen zu einem Mitarbeitergespräch in einer aufbrechenden Gemeinde. Wow, war das cool! Diese leuchtenden Augen, wenn sie über Jesus sprachen, wenn sie uns ihre Vision vor Augen malten und von ihren geistlichen Erfahrungen berichteten! Ich dachte zurück an eine Gemeindegründungsphase in meinem Dienst, wo wir Ähnliches erlebt haben.

Das war damals so wie Pfingsten! Jedes Mal, wenn wir uns trafen, konnten wir von Wundern Gottes erzählen, und die spornten uns an, noch Größeres von ihm zu erwarten. Es war eine tolle Zeit! Heute dagegen sind wir lahm, der Heilige Geist scheint uns (fast) abhanden gekommen zu sein! Mich hat das vor wenigen Wochen motiviert, einmal meine Pneumatologie, also meine Erfahrungen mit dem Heiligen Geist in Form von 42 täglichen Andachten zu Papier zu bringen, und ich spüre, das macht mir großen Spaß, weil ich mich an Zeiten erinnere, wo mich diese Leidenschaft für Gott wieder ganz neu erfüllt. Vor wenigen Wochen wurde das Reformationsjahr 2017 eröffnet. Auch unser Impulstag vom Landesverband in Mittweida Ende Januar 2017 wird sich mit der Frage beschäftigen, ob wir nicht auch eine Reformation im Baptismus brauchen. So eine geistliche Erneuerung, die uns erfasst und neu in Bewegung setzt. Damals hat Martin Luther die Reformation seiner Kirche angestoßen, aus der wir ja auch als Freikirchen entstanden sind. Trotzdem scheint auch die Begeisterung damals in der ersten Zeit bald wieder verflogen zu sein, denn in der Kirchengeschichte gibt es anschließend eine Phase der Orthodoxie. Da verfestigte sich wieder der neue Glaube, wurde zur Tradition. Man hat ihn vor allem in Ritualen zelebriert, ich sage mal: Er verkam zu einer trockenen Angelegenheit! Erst der Pietismus im 17. Jhr. hat dann wieder als geistliche Erneuerungsbewegung die Kraft hervorgebracht, Menschen mit mystischen und spirituellen Erfahrungen für Gott zu begeistern und in Bewegung zu setzen. Könnte es also sein, dass wir uns selbst als Baptisten - ich spitze das ´mal so zu: auch in Sachsen - mitten in der Orthodoxie befinden und deshalb eine geistliche Erneuerung benötigen? Eine vom Heiligen Geist gewirkte und inspirierte Frische? Wo sackt das, was wir von Gott hören, noch in unser Herz rein? Oder bleibt es in unserem Hirn stecken, wird wieder so eine Wahrheit, die wir schon x-mal gehört haben? Mich bewegt bei diesem Thema die Frage, ob wir Gott wirklich noch spüren, ja fühlen können. Erleben wir tatsächlich noch sein Reden, seine Führung im alltäglichen Leben, seinen Trost? Auch nicht nur dann, wenn wir unsere Bibel aufschlagen?  - In den Medien war letztens von einer „postfaktischen Zeit“ die Rede, in der wir uns jetzt befinden würden. Das war natürlich politisch auf die derzeitige turbulente Weltsituation mit dem Einfluss populistischer Parolen gemünzt. Leute von heute interessieren vielfach nicht nur die Fakten, sondern sie wollen gefühlsmäßig angesprochen werden. Also: Weg vom Kopf ins Herz! Nun, diese Sache mag auch gefährlich sein, denn allein vom Gefühl her können wir keine klaren Entscheidungen treffen. Andererseits brauchen wir die sinnliche Wahrnehmung, bunte Farben, leuchtende Kerzen, harmonische Melodien, übernatürliche Erfahrungen - und als Christ füge ich dazu: spektakuläre Gebetserhörungen, wundersame Erlebnisse, Heilungen, mitfühlenden Trost und überschäumende Freude. Ein rein verstandesmäßiger Glaube wäre absolut zu trocken, zu langweilig. Ich kann mich an eine Zeichnung erinnern, die in früheren Zeiten benutzt wurde, um den Zusammenhang von Verstand und Gefühl darzustellen.
2016.12Da stand das Gefühl an letzter Stelle. Wichtig war, das Evangelium zu hören und zu begreifen, irgendwann würde man Gott dann auch spüren. Dieses sehr auf Worte, Begriffe und Prinzipien fixierte Denken ist stark von den griechischen Philosophen geprägt und beeinflusst uns auch heute noch stark, insbesondere in den westlichen Kulturen. Die sinnliche Wahrnehmung haben dagegen eher die Orientalen im Blut, und davon ist eben auch das hebräische, ich sage ´mal biblische Denken, beeinflusst. Wir könnten auch sagen: „Die einen glauben eher mit dem Verstand, die anderen eher mit dem Gefühl!“ - Was ist nun richtig oder gar wichtiger? Mir geht die Frage nicht mehr aus dem Sinn, und mittlerweile wächst in mir die Überzeugung, dass wir - wie bei einer Münze - beide Seiten brauchen, und zwar gleich stark und viel! Ich möchte hier und heute ein Plädoyer halten für die gefühlsmäßige Seite! Auf einem Konzert waren auch einige geistig behinderte - heute sagt man: eingeschränkte - junge Leute eingeladen. Die haben gejauchzt und geklatscht und hemmungslos Jubelrufe losgelassen, als ihnen die Musik gefallen hat.  Und die „Normalos“ - ich habe da mal in die Runde geschaut - haben eher abwertend auf die „Minderbemittelten“ herabgeschaut! Ich habe mich über diese Gefühlsausbrüche der jungen Leute gefreut. Denen war das egal, was andere über sie dachten! Für mich waren die eher ein Vorbild, ein Ansporn, noch mehr auch in meinem Glauben aus mir herauszugehen! Was wünschte ich mir das doch für unsere Gottesdienste! In 5. Mose 6, 5, einem der wichtigsten Bibelworte im AT überhaupt, werden die Frommen aufgefordert Gott mit ganzem Herzen zu lieben. In diesem Vers ist noch von der Seele die Rede, darin sind in der hebräischen Sprache z.B. auch noch der Wille miteingeschlossen, und dann die Kraft. Übrigens nicht explizit der Verstand, auch wenn in manchen Bibelübersetzungen die Parallelstelle im NT dann den Verstand benennt (vgl. Mt. 22, 37). Es geht wohl aber in erster Linie um unser Herz, um das Erleben und Fühlen dessen, was wir verstanden haben und glauben. Alles ist sozusagen im Paket drin und gleichermaßen nötig. Das bringt mich nun zu folgenden Fragen, die jeder mal für sich beantworten mag:

1. Habe ich die frohe Botschaft von Jesus Christus wirklich richtig, klar und umfassend verstanden? Erkenne ich, was Gott für mich getan hat, und was löst das gefühlsmäßig und bei mir aus?
2. Fühle ich Gottes Nähe, seine Kraft, seinen Trost, seine Führung, seine Erquickung, und wenn ja, wie denn? Kann ich im Herzen spüren, dass mich Gottes Freude oder seine Stärke erfasst und bewegt?
3. Bin ich erfüllt vom Heiligen Geist? Und wenn ja, wo ist dann eine Leidenschaft und Begeisterung bei mir für Jesus zu spüren? Kriege ich leuchtende Augen, wenn ich von Jesus rede und ihn bezeuge?

Ich bin mit meinen Gedanken noch nicht am Ende, weiter dran, darüber nachzudenken. Und gespannt, was mir Gott da noch an Gedanken oder Erfahrungen schenken wird. Jedenfalls sehne ich mich danach, nicht nur mit dem Kopf zu glauben, sondern auch - vielleicht sogar noch eher - mit dem Herzen.

Rainer Platzek, Pastor der EFG Schmiedeberg und Mitglied der LV-Leitung

Vernetzt im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) in Deutschland K.d.ö.R.

Wir sind Mitglied im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. Darüber hinaus gehören weitere Gemeinden zu unserem Landesverband.


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