Leben mit Passion
Impuls 02-03/2016:
Seit einigen Jahren beobachte ich eine Renaissance der Passionszeit. In meinem Elternhaus gehörten die großen Passionsmusiken von Bach oder Schütz zumindest in die Karwoche hinein – diese Tradition habe ich beibehalten. Dann gab und gibt es die evangelische Fastenaktion „7 Wochen ohne“, die eine alte liturgische Tradition aufnimmt und mit neuem Leben füllt. Da war dann der Jugendleiter, der zur Geburtstagsfeier „seine“ Saftflasche mitbrachte, weil er in den Wochen vor Ostern bewusst auf Alkohol verzichtete. Ich selber habe den „lohnenden Verzicht“ auf verschiedene Weise gelebt: Sieben Wochen ohne Fernsehen oder Rauchen oder Süßes oder …
Dabei ging es um noch Anderes, als das Aussetzen einer lieben Gewohnheit. Das „Fasten“ schaffte auch Freiräume, um über die eigene Christusbeziehung nachzudenken. Unter genau diesem Gedanken waren die kirchlichen Fastenzeiten ja auch ursprünglich eingeführt worden. Das ist eine – wie ich meine – gute Möglichkeit, um die Passionszeit für sich (und andere) zu gestalten.
Unter dem Stichwort „Leben mit Passion“ ist in diesem Jahr nicht nur unser Gemeindebund, sondern auch unsere Gemeinde in Sosa / Erzgebirge an der Gestaltung der sieben Wochen vor Ostern beteiligt. Der Kalender mit den Kurzimpulsen für jeden Tag ist schon in den vergangenen Jahren für viele Geschwister ein täglicher Begleiter geworden. Als Gemeinde nehmen wir die Impulse in Bibelstunden und Gottesdiensten auf. Wir meinen, dass wir es brauchen, Gedankenanstöße für unser geistliches Leben von außen aufzunehmen. „Staunen über Christus im Anderen“ - so lautet in diesem Jahr das Unterthema der Aktion. Auf dem Titelbild des Passionskalenders sehe ich Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die – Kopf an Kopf – im Kreis zusammen auf dem Boden liegen. Bei uns in Sosa müssten noch ein paar ältere Menschen mit im Kreis liegen, damit das Bild für uns „stimmt“. Aber ob die noch ohne weiteres fürs Foto auf den Boden kommen? Und vor allem wieder hoch? Ob wir – egal ob alt oder jung – uns überhaupt auf solche Weise „sichtbar“ machen wollen? Ob ich das möchte? „Staunen über Christus im Anderen“ - das setzt außerdem voraus, dass ich meinen Mitmensch nicht nur wahrnehme. Ich will auch die Sinne dafür schärfen, dass ich meinen Herrn Jesus in ihm entdecke. Wie lebt er / sie eigentlich den Glauben? Fordert mich das vielleicht heraus? Beeindruckt es mich? Oder finde ich es – ein bisschen schräg? Wie dem auch sei: Ich meine, dass es gut ist, den Christus im Anderen zu entdecken. Es ist nämlich Gottes Passion (Leidenschaft) in uns Menschen Wohnung zu nehmen. Damit wir uns daran erinnern, dass wir seine geliebten Kinder sind. Oder – so sagt es Jesus über den Zöllner Zachäus: „Dieser Mann ist doch ein Sohn Abrahams!“ (LK. 19, 9). In diesem Sinn wünsche ich uns landauf landab eine entdeckungsreiche Passionszeit!
Michael Naar / Sosa